Verfasst von: markusgaertner | März 8, 2010

Das Okun-Rätsel

Warum die Konjunkturerholung nicht viele

Jobs schaffen wird

Vancouver, 9. März 2010

Ich weiß, es ist Schadenfreude: Aber zu meinen genüsslichsten Beobachtungen gehört es, wenn superschlaue Wirtschaftsexperten mit glühenden Gehirnsträngen über banalen Fragen brüten, weil eines ihrer schönen

Modelle nicht mehr funktioniert.

Arthur Okun´s Gesetz, mathematisch ausgedrückt

Diesmal geht es um den empirisch belegten Zusammenhang zwischen der Produktions-leistung einer Volkswirtschaft und der Arbeitslosigkeit, 1962 von dem Yale-Ökonomen Arthur Okun im gleichnamigen Gesetz belegt.

Demnach nimmt für jeweils 2 Prozentpunkte, um die das Bruttoinlandsprodukt unter seinem aktuell möglichen Niveau bleibt die Arbeitslosigkeit um 1 Prozentpunkt zu.

Eine Art 2:1 Regel.

Seit 60 Jahren funktioniert dieser Zusammenhang, von ganz kurzen periodischen Aus-nahmen abgesehen.

Chris Fritz, Flickr

Doch 2009 wurde das Okunsche Gesetz kräftig aus der Bahn geworfen, die Arbeitslo-sigkeit stieg deutlich schneller an als es laut der BIP-Veränderung hätte sein dürfen. Das rief zwei versierte Fed-Ökonomen – darunter Mary Daly, Vizepräsidentin an der Fed von San Francisco – auf den Plan.

Sie wollten herausbekommen, woher diese „Unemployment Surprise“ rührt und drehten jedes Element in der kniffligen Formel um.

Was dabei herauskam, wurde zu Wochenbeginn präsentiert und ist weit über die engen Zirkel dieser volkswirtschaftlich versierten Mathe-Genies hinaus von Bedeutung.

Denn das Papier weckt ernsthafte Zweifel daran, dass die begonnene Erholung im Jah-resverlauf – wie von den meisten Experten inzwischen erwartet – spürbar Jobs schaffen wird.

So skizzieren die Fed-Ökonomen Mary Daly und Bart Hobijn den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen:

„Since real GDP was almost flat in 2009 while its trend level increased by 3%, the unemployment rate under Okun’s law should have increased by 1½ percentage points. Instead it rose by 3 percentage points, more than twice the predicted increase.“

Eine Rolle gespielt haben könnte die sogenannte „labor force participation rate“, der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung. Der geht bekanntlich stark zurück, senkt also die Arbeitslosigkeit. Dasselbe gilt für die wöchentlich gearbeiteten Stunden. Deren Zahl nimmt ab, was tendenziell zur Verringerung der gestrichenen Jobs beiträgt.

Also auch hier Fehlanzeige.

Schließlich treffen die beiden Ökonomen beim Durchforsten der infrage kommenden Variablen auf eine Goldmine: Die Produktivitätszuwächse, die 2009 enorm waren (siehe vorangegangener Post in diesem Blog, „Die wunderbare Welt der (US-)Arbeitgeber“).

Hier die wichtigste „Entdeckung“ des Papiers, dem zu Wochenbeginn in den USA viel Aufmerksamkeit zuteil wurde:

„The surge in labor productivity allowed employers to keep output steady while shedding workers and reducing hours of work in the economy. As such, it allowed unemployment to rise much more than expected given the change in GDP, breaking the normal pattern between the two measures observed over the past 60 years.“

Eine Frage, die die beiden schlauen Köpfe von der San Francisco-Fed nicht definitiv be-antworten können, ist dagegen diese: Wird der enorme Produktivitätszuwachs auch 2010 anhalten ?

Wenn ja, wäre das äußerst schlecht für den Arbeitsmarkt, weil mit immer weniger Beschäftigten die gleiche Leistung erbracht werden könnte.

Immerhin geben die Fed-Ökonomen zu erkennen, dass sie nach ihren Gesprächen mit Managern und Unternehmern im Verlauf der Recherchen einen bestimmten Eindruck haben, und der verheißt nichts Gutes: „Anekdotische Beweise legen es nahe, dass die Anstrengungen zur Kostenreduzierung angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit eine dauerhafte Strategie werden“.

Autsch ! – Amerika wird also damit fortfahren, mehr mit weniger (Beschäftigten) zu fertigen.

Die Fed in San Francisco scheint dies mit größerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, als es aus dem Papier hervorgeht.

Denn die Präsidentin der San Francisco-Fed, Janet Yellen – unter Präsident Clinton Vor-sitzende des Council of Economic Advisers – sagte bei einem Vortrag an der University of San Diego Mitte Februar, es bleibe bei der scharfen Zunahme der Produktivität.

Yellen zufolge soll die Arbeitslosigkeit in den USA – derzeit 9,7% – bis Ende des Jahres auf 9,25% fallen und bis 2011 weiter auf 8% zurückgehen. 

Hier noch die grafische Erklärung aus dem Fed-Papier, wie sich der jüngste BIP-Zuwachs aus den verschiedenen Arbeits-Komponenten zusammensetzt. Die rote Kurve zeigt die scharfe Zunahme der Produktivität an.


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